Feminine Eleganz
Von Señor Rolando
Die sprachliche Entwicklung von Kindern ist eine faszinierende Angelegenheit. So war der Sohn schon im zarten Alter sprachlich effizient, wenn auch in der Benennung seiner Liebsten etwas unelegant. Ganz anders seine Schwester. Sie beginnt keineswegs mit dem, was unsereiner vielleicht als anfänglich lebensnotwendig bezeichnen würde. Eltern anreden etwa. Oder Spielzeug benennen. Alles Quatsch. Irgendjemand von den Eltern ist eh immer da und das Spielzeug nimmt man sich einfach, wenn man es braucht. Darüber groß Worte zu verlieren empfindet die kleine Dame als viel zu grob und ungehobelt. Sie mag es offenbar lieber vornehm dezent. Und sagt nur dann etwas, wenn sie selbst nicht weiter kommt. Dann ist es ihr allerdins so wichtig, dass sie gleich mit zwei Wörtern anfängt: Bitte und Danke.
Sitzt man also gemütlich in den Trümmern der von ihr sorgfältig zerlegten Spielzeugeisenbahn des großen Bruders, überreicht sie einem gern den gerade von ihr geretteten Lockführer, nicht ohne jedoch freundlich Bitte! zu sagen und damit auch klar zu machen, dass man ihm nicht nur die dringend benötigte weitere medizinische Versorgung zukommen lassen möchte, sondern auch noch brav Danke! zu sagen hat.
Nicht viel anders läuft es beim Essen. Dass gute Tischsitten wichtig sind, hat ihr schon der Bruder beigebracht. Schiebt man der kleinen Dame beim Frühstück also unausgeschlafen mürrisch und entsprechend wortkarg ihr Essen herüber, damit sie sich dem in Ruhe widmen kann, rührt sie es nicht an sondern wartet mit großen und entsetzt dreinschauenden Augen darauf, dass man freundlich lächelnd Bitte! dazu sagt. Danke. – sagt sie prompt, schnappt sich den Brocken und vernichtet ihn wie vorgesehen.
Kinder halten einem den Spiegel vor, heißt es bekanntermaßen. Woher sie diesen Hang zur pedantischen Korrektheit hat, überlege ich jedoch noch. Aber vielleicht sollte ich das einfach aussitzen und abwarten, bis sie ein paar Personen klar benennen kann. Wenn sie sich hier zumindest ein wenig an ihren Bruder hält, dann ist Papa nicht gerade bei der ersten Handvoll mit dabei.
Beruhigend. Auf eine Art.