Der Sohn ist ein eher vorsichtiger Typ. Ganz ähnlich zu manch anderem Zweijährigen ist er zum Beispiel gegenüber Leuten recht zurückhaltend, die er noch nie oder schon seit sehr langem nicht mehr gesehen hat. Da stürmt er nicht gleich freudig los und umarmt sie, sondern lehnt sich erst einmal schüchtern und elegant gegen mich und wartet ab. Als moderner Mann von heute biete ich in solchen Situationen natürlich Halt und bilde seinen Fels in der Brandung des Ungewissen.
Auch für wilde Abenteuer ist dem Sohn eine vertraute und zumindest halbwegs sichere Umgebung ein Bedürfnis. Fremdes Lokal? Neben den Herrn Papa setzen und leise ein Eis bestellen lassen. Fremde Wohnung? «Papa! Hand!» Fremde Treppen, die wir noch nie zusammen gelaufen sind? «Papa! Arm!» Fremde Kinder? Skeptische Distanz. Fremde Kinder in fremder Wohnung? Große Augen, wer sich denn das ausgedacht haben könnte.
Wie gesagt: Der Sohn ist in der Fremde von einem vornehm zurückhaltenden Naturell.
Er ist, wie er ist. – denken wir als verständnisvolle Eltern. Dann können wir das auch gleich ausnutzen. – denken wir logisch weiter und planen, zum Urlaubsausklang auf dem Weg vorbei an Hamburg bei den quasi-Blognachbarn von 24sieben vorbei zu schauen. Gedacht, geplant, getan. Und was macht der Sohn? Auf den ersten Blick offenbar nichts. Was zu erwarten war. Siehe oben. Wäre er nicht beim zweiten Blick ebenso verschwunden wie die beiden Töchter des Hauses.
Erst kurz vor Aufbruch tauchen sie zu dritt wieder auf: glückselig und Hand-in-Hand schlendern sie die Treppe aus dem Dachgeschoss des Hauses herunter. Meinen fragenden Blick beantwortet der Sohn mit dem wissenden Lächeln des Jungen von Welt, der sich gerade von zwei charmanten jungen Damen ihr Reich hat zeigen lassen.
Ich schieb’s erst einmal auf seine entspannte Urlaubsstimmung und mache mir keine größeren Sorgen. Erst einmal.