Ein ganz normaler Samstagmorgen
Von Señor Rolando
Wochenende ist Ausschlafzeit. Das geht schon am Samstagmorgen los; vor allem, wenn’s am Abend davor mal etwas später geworden ist. Das wissen alle. Nur Zweijährige nicht. Das Exemplar bei uns hier im Haus wurde pünktlich wach und sagte in einem klaren, deutlichen und sehr munteren Ton: «Papa, aufstehen! Frühstück machen.» Als moderner Mann von heute bin ich für solche Manöver natürlich wohl trainiert und kontere schlagfertig: «Nix da, wir haben eh keine Brötchen im Haus.» Das sollte auch der Sohn verstehen, ohne Brötchen gibt’s schließlich kein Frühstück und man kann sich somit einfach noch einmal umdrehen und weiterschlafen.
«Papa, aufstehen! Bäcker gehen.»
Das Manöver hat offenbar außer mir noch jemand anderes gut vorbereitet. Klarer Punktsieg für den Sohn. Also machen wir uns auf den Weg.
Kaum beim Bäcker angekommen, arbeite ich hart daran, meine Augen ausreichend weiter zu öffnen, um das Angebot zu betrachten und meine Bestellung aufzugeben. Während dessen schäkert der Sohn kurz mit der Backwarenfachverkäuferin und beide unterhalten sich kurz. Worüber, weiß ich nicht, ich hab’s nicht so genau verstanden. Nur wenige Augenblicke später war ich aber soweit, meine Bestellung aufzugeben, da reicht sie mir auch schon zwei Tüten über den Tresen, davon eine erstaunlich klein und die geht auch direkt an meinen Begleiter. Er hat das wohl geklärt.
Auch gut. Schön, dass das so schnell ging. Ab auf den Rückweg. Kaffee und Zeitung warten.
Dumm nur, dass gegenüber vom Bäcker gerade ein Einzelhändler seinen Laden schließt und genau an diesem Samstagmorgen ein dicker, fetter Laster davor steht und ein paar starke Jungs palettenweise das verbliebene Interieur des Geschäfts in das Gefährt verladen. Das ist genau das Richtige für den Sohn, welcher sich in zwei Meter Abstand zur Laderampe lässig an einen Bauzaun lehnt und den Männern erst einmal eine Weile zuschaut. Alles nur, um wenig später kurze, aber wertvolle Tipps zu geben, wie sich der Stauraum besser ausnutzen ließe: «Dahin!» – «Nein, da nicht.» – «Palette nach ganz oben!» – «Nicht rollen, tragen!» – «Mann langsam?»
Jetzt wird’s mir doch zu bunt und ich versuche, den Sohn weiter in Richtung heimatlicher Kaffeemaschine zu ziehen. Das ignoriert er völlig, hat nämlich ganz plötzlich nur noch Augen für die ankommende schöne Verkäuferin des Dessous-Fachhandels gleich nebenan. Er flirtet kurz mit ihr, schnappt sich meine Hand und zieht mich strammen Schrittes ihr hinterher. Vor ihrem Laden lächeln sich beide noch einmal kurz an, und während sie hinter knapp bekleideten Schaufensterpuppen verschwindet, hat der Sohn den nächsten Laster entdeckt, behält sein Tempo somit bei und zieht mich einfach weiter.
Liegt ja auf dem Weg, denke ich mir und stolpere in meinem Tran fast über den Sohn, der plötzlich stehen geblieben ist, um einem Obstlieferanten beim Auf- und Abfahren seiner Laderampe zu bewundern. «Steig auf und fahr mit» – bietet der Bewunderte großzügig an. Der Sohn winkt lässig ab, rückt sich seinen Hut weiter in die Stirn und sagt nur: «Machst Du gut!» zum Lieferanten, «hoch und runter» – sagt er zu mir. Der Lieferant lacht, greift kurz in eine Kiste und wirft dem Sohn eine Banane zu.
Der schnappt sich diese, guckt mich ungeduldig an und sagt: «Papa, nach Hause! Musst Du Frühstück machen.»
Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, warum ich mit aufgestanden bin. Den Gang hätte der Sohn jetzt locker auch allein geschafft.