Zusammengesetzte Substantive
Von Señor Rolando
Dass der Sohn ein Sprachtalent ist, haben wir schon vor geraumer Zeit festgestellt. Das war in den Anfängen seiner verbalen Kommunikationsphase, in denen er durch sprachliche Effizienz bestach. Was liegt näher als sich in der weiteren Entwicklung wieder auf die eigenen Wurzeln zu besinnen? Eben. Und so schnappt sich der Sohn den Bagger von damals und erweitert ihn zur Baggerschaufel von heute. Und während es damals hauptsächlich darum ging, seinem Wunsch Nachdruck zu verleihen, alle Geräte, die sich mit Bagger benennen lassen, sofort seiner Obhut anzuvertrauen, so ist er heute etwas bodenständiger geworden. Das bringt das Alter wohl so mit sich. Heute sind es nicht mehr die fernen und schwer erreichbaren Dinge, auf die er sich konzentriert. Heute ist es der Esstisch vor ihm. Und die Baggerschaufel ist nichts anderes als seine kleine Gabel, mit der er das Essen vom eigenen Teller und denen aller anderen am Tisch in seinen Mund befördert.
Ganz ähnlich sieht es mit dem Getränk zum Essen aus. Milch steht hoch im Kurs. Und obwohl der Sohn gerade als Stadtkind heran wächst, ist ihm vollkommen klar, dass Milch nicht aus dem Tetra Pak kommt, sondern aus der Kuh. Dieses Verständnis für die großen Zusammenhänge des Lebens beeindruckt nicht nur uns engeren Familienkreis. Selbst in der Kita waren sie vor kurzem sprachlos, als er stolz und wortreich sein Wissen über die Milchkuh dargelegt hat. Ich hoffe noch immer sehr, dass er es wirklich zu einem schönen Rind im Bilderbuch und nicht etwa einer der angestellten Damen des Hauses gesagt hat.
Nicht, dass ihm sein nächstes zusammengesetztes Substantiv drohen müsste: Hubschraubereinsatz. Ja, Hubschraubereinsatz. Es ist schließlich von Vorteil, die wirklich wichtigen Sachen als erstes zu erlernen. Dem entsprechend arbeitet der Sohn momentan mit Hochdruck an: Handtaschenräuber. Wenn das klappt, schafft er es endlich, eines seiner derzeitig beliebten Gute-Nacht-Lieder lautstark selbst zu singen: den besagten Hubschraubereinsatz von Foyer des Arts. Ob und wie er dann allerdings in den Schlaf findet, warten wir mal ab. Aber wenn ich so darüber nachdenke, klingt Tiefschlaf gar nicht mal so schwer.